Die englische Sportwetten-Branche erlebt derzeit einen heftigen Umbruch. Durch die zunehmende Besteuerung und staatliche Kontrolle der Branche sowie die zunehmende Verschiebung hin zu Online-Angeboten sehen sich die großen Konzerne am Wettmarkt gezwungen, sich für die Zukunft zu rüsten. Allein in den letzten drei Monaten gingen drei spektakuläre Fusions-Deals über die Bühne: Ladbrokes geht jetzt mit Gala Coral, Paddy Power mit Betfair und GVC mit Bwin.
Der Sommer 2015 hat alles verändert. Zumindest in der Wettbranche kann man das durchaus so sagen – wohl auf keinem andern Absatzmarkt gibt es gerade so viel Bewegung wie bei den Buchmachern. Eine wahre Fusions-Welle ist den letzten Monaten über den Markt geschwappt. Ob Ladbrokes, Paddy Power oder Bwin – allein sein will keiner mehr. Die Sportwetten-Giganten bündeln ihre Kräfte, um den Fluss der Wett-Millionen noch sorgfältiger abschöpfen zu können. Die Umfänge der Deals bewegen sich im Milliardenbereich.
Angefangen hatte es im Juli mit der Bekanntgabe des englischen Buchmachers Ladbrokes, dass man zukünftig gemeinsame Sache mit der ebenfalls auf der Insel ansässigen, kleineren Gala Coral Group machen würde. Das neue Unternehmen heißt „Ladbrokes Coral“ und ist etwa 2,3 Milliarden Pfund schwer. Der aktuelle Exekutiv-Chef von Ladbrokes, Jim Mullen, wird der Boss des neuen Giganten. Mit dem Deal schob sich das Unternehmen ganz nach vorne auf der Größen-Rangliste der britischen Buchmacher.
Paddy Power und das Twitter-Eigentor
Konkurrent Paddy Power hatte für den Zusammenschluss der Konkurrenten zunächst nur Spott übrig. Man werde sich dann demnächst mit Betfair zusammenschließen und sich zukünftig „Betty Power“ nennen.
Hot on the heels of the Ladbrokes/Coral merger, we can exclusively reveal that we have merged with Betfair. Our new name is Betty Power.
— Paddy Power (@paddypower) July 24, 2015
Was zunächst möglicherweise wirklich als Spaß gemeint war, wurde kurze Zeit später Ernst. Am 26. August diesen Jahres gaben die Iren von Paddy Power und die Briten von Betfair bekannt, dass sie ihrerseits eine Fusion vorantreiben werden. Der zukünftige Unternehmenswert wird auf etwa 5 Milliarden Pfund geschätzt. Zur Enttäuschung aller Beteiligten wird sich der neue Konzern allerdings nicht Betty Power nennen, sondern vielmehr den unspektakulären Namen „Paddy Power Betfair“ auf den Briefkopf schreiben. Der englische „Telegraph“ spottete nach Bekanntwerden der Fusion in Anspielung auf die Twitter-Panne, Paddy Power hätte mal lieber auf den eigenen Zusammenschluss wetten sollen.
Als wäre das Gedränge gerade in England nicht schon groß genug, wird zukünftig noch ein weiterer Glücksspiel-Riese von der Insel aus gelenkt: Das österreichisch-gibraltarische Unternehmen bwin.party wird allem Anschein nach von der in London ansässigen GVC Holding übernommen. Nach einem monatelangen Bieter-Wettkampf hat sich das Unternehmen offenbar gegen den Konkurrenten 888.poker durchgesetzt. Die Österreicher werden das Angebot zur Übernahme in Höhe von etwa einer Milliarde Pfund wohl annehmen.
Der Kleine frisst den Großen: GVC übernimmt bwin.party
Dabei war sich bwin.party im Juli sogar schon mit 888 über einen Zusammenschluss einig, die geplante Finanzierung des Poker-Spezialisten platzte jedoch, und so konnte GVC noch einmal ins Rennen einsteigen. Nachdem man zunächst mit Amaya Inc. gemeinsame Sache für die Übernahme gemacht hatte, entschied man sich, noch einmal ein verbessertes Angebot abzugeben – alleine. Das war nun offenbar überzeugend genug, um den deutlich größeren Konkurrenten zum Verkauf zu bewegen.
Bwin.party hatte zuletzt Probleme gehabt, weil der Online-Poker-Markt in Europa zurückging. Im Frühsommer 2014 verkündete man, dass man sich Übernahmeangebote anhören würde. Dann ging das große Feilschen los, zuletzt gab es das erwähnte Hin- und Her zwischen GVC und 888. Das neue Unternehmen wird zu 66% den bisherigen Bwin.Party-Aktionären gehören. Mit einem Umsatz von 609 Millionen Euro (im Jahr 2013) ist bwin.party Marktführer auf dem Online-Markt, GVC kommt gerade einmal auf 168 Millionen Euro.
GVC betreibt unter anderem das Portal sportingbet.com. Bwin hatte sich erst 2011 mit dem in Gibraltar ansässigen Party-Poker zusammengetan. Nachdem die eigene Aktie dadurch aber nicht wie erhofft in die Höhe geschossen ist, entschieden sich die Verantwortlichen im letzten Jahr dazu, einen Neuanfang zu wagen.
Ob mit dem Bwin-Deal schon das Ende der Fahnenstange erreicht ist, darüber kann vorerst nur spekuliert werden. Ladbrokes-Coral-Chef Jim Mullen ging schon im August davon aus, dass sich die Branche in den nächsten Jahren noch weiter umstrukturieren würde: „Ich denke, dass unser Zusammenschluss mit Coral wahrscheinlich der Start von Konsolidierung in unserem Sektor ist.“ Damit antizipierte Mullen bereits die Deals um bwin.party sowie Paddy Power. Ob es weitergeht ist aber offen, mit Bet365 ist einer der bekanntesten englischen Wettanbieter noch nicht aktiv geworden, was Fusionen anbelangt.
Tausende Jobs in Gefahr, kein Fusions-Ende in Sicht
Die Besonderheit an der Bwin.party-Übernahme sind die Größenverhältnisse. Die vergleichsweise kleine GVC Holding lehnt sich mit dem Aufkaufen des deutlich größeren Rivalen extrem weit aus dem Fenster und muss aufpassen, sich nicht ins finanzielle Abseits zu spielen. Genau dorthin wollen auch die Angestellten von Betfair und Paddy Power gerade nicht. Die 7.000 Mitarbeiter, die beide Lager zusammen aufbieten, müssen nach dem Zusammenschluss um ihren Job fürchten. Umstrukturierungen und Einsparungen werden nicht lange auf sich warten lassen.
In den Schlagzeilen war zuletzt Ladbrokes, und das nicht wegen dem Verschmelzen mit Gala Coral: Beim Länderspiel der englischen Nationalmannschaft gegen die Schweiz rieben sich die Fernsehzuschauer die Augen. Mitten auf dem Feld im Wembley-Stadion war, etwas blass zwar, aber dennoch gut erkennbar, ein Ladbrokes-Logo zu erkennen. Der Grund dafür war der „Ladbrokes Challenge Cup“, ein Rugby Event das nur wenige Tage zuvor auf Englands heiligem Rasen stattgefunden hatte. Da Ladbrokes dort als Hauptsponsor agiert, ließ das Unternehmen sein Logo auf das Grün pinseln. Offenbar etwas zu penetrant, denn die Greenkeeper schafften es nicht, den Schriftzug vollständig zu entfernen, bis das EM-Qualifikations-Match anstand. Ladbrokes‘ Social-Media Abteilung twitterte hintersinnig: „Wir können nicht genau sagen, woran das liegt, aber das Spielfeld in Wembley gefällt uns heute besonders gut!“
We can't quite put our finger on why, but the Wembley pitch looks particularly good tonight #ENGvSWI
— Ladbrokes (@Ladbrokes) September 8, 2015
Ebenfalls für Aufsehen gesorgt hatte eine ähnliche „Panne“ bei den Iren von Paddy Power: Bei der EM 2012 zog der dänische Torjäger Nicklas Bendtner nach seinem Treffer gegen Portugal sein Shirt nach oben und seine Hose ein wenig nach unten. Dadurch entblößte er Unterhosen mit dem Schriftzug von Paddy Power – das Foto ging um die Welt, Bendtner musste wegen Schleichwerbung Strafe zahlen. Den gewünschten Effekt hatte die Aktion allemal – den Namen „Paddy Power“ konnte plötzlich jeder Fußball-Fan zuordnen.